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Nachruf auf Prof. Dr. Hans Dieter Dahmen

Am 12. November 2023 verstarb im Alter von 87 Jahren unser sehr geschätzter Kollege und Freund Prof. Dr. Hans Dieter Dahmen. Er wurde am 30. Oktober 1936 in Iserlohn geboren und studierte Physik in Frankfurt, wo er auch im Jahr 1964 seine Promotion erlangte. Seine akademischen Lehr- und Wanderjahre führten ihn nach Heidelberg, Karlsruhe, und das MIT in Cambridge (USA) sowie an das CERN, das europäische Zentrum für Kern- und Teilchenphysik.

Im Jahr 1973 wurde er auf einen Lehrstuhl für theoretische Physik an der neu gegründeten Gesamthochschule Siegen (heute Universität Siegen) berufen. Sein Wirken prägte den Fachbereich Physik ganz entscheidend, er hat das Renommee der Universität Siegen im Bereich der Kern- und Teilchenphysik wesentlich mit aufgebaut.

Sein Forschungsgebiet war die phänomenologisch orientierte theoretische Elementar- teilchenphysik. Zu Beginn seiner Karriere hat er sich mit Fragestellungen im Bereich der sogenannten Strom-Algebren und deren Anwendungen in der Phänomenologie befasst. Mit dem Siegeszug der Quantenchromodynamik (QCD), der modernen Theorie der starken Wechselwirkung, wandte er sich dann stärker der Physik der Teilchenjets zu, die damals am PETRA Beschleuniger am DESY in Hamburg beobachtet wurden und die QCD als Theorie etablierten. Nach der Inbetriebnahme des LEP-Beschleunigers am CERN verfasste er dann Arbeiten zu den Effekten der Quantenelektrodynamik bei höchsten Energien, in denen er neue theoretische Methoden entwickelte.

Professor Dahmen war ein begnadeter akademischer Lehrer und ein Vorbild als Wissenschaftler und Mensch. Er hat viele Jahre den integrierten Physik-Kurs zusammen mit seinem experimentell arbeitenden Kollegen Siegmund Brandt gehalten, aus dem einige, viel genutzte Lehrbücher hervorgegangen sind, darunter die Standardlehrbücher „Brandt, Dahmen: Mechanik“ und „Brandt, Dahmen: Elektrodynamik“ sowie das „Bilderbuch der Quantenmechanik“ (Autoren ebenfalls Brandt und Dahmen), was mit einer Software erzeugt wurde, die auch im praktischen Unterricht in den Vorlesungen Einsatz fand.

Mit seiner freundlichen und zugewandten Persönlichkeit hat er viele Studierende, Promovierende und auch Postdoktorandinnen und Postdoktoranden motiviert. Nach der Einführung des internationalen Masterstudienganges „Imaging Physics“ kümmerte er sich sehr intensiv um die internationalen Studierenden, um Defizite bei deren Vorkenntnissen in der Mathematik und der theoretischen Physik auszugleichen. Gerade die Betreuung der internationalen Studierenden hat Herr Dahmen auch noch einige Jahre nach seiner Emeritierung übernommen, die „Internationalen“ lagen ihm sehr am Herzen.

Mit seinem Namen ist auch die Herbstschule für Hochenergiephysik im Kloster Maria Laach eng verknüpft. Diese Schule wurde vom DESY aus der Taufe gehoben, denn Ende der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts war Kern- und Teilchenphysik in Deutschland wieder erlaubt, und man wollte mit dieser Schule den deutschen Promovierenden in diesem neuen Feld eine möglichst breite Ausbildung bieten, da an viele Universitäten dieses Feld noch nicht in voller Breite ausgebaut war. Professor Dahmen hat die Organisation dieser Schule Mitte der siebziger Jahre übernommen, diese Aufgabe zwanzig Jahre mit hohem Engagement wahrgenommen und damit viele Promovierende aus Deutschland für die Teilchenphysik begeistert. Diese Schule existiert noch heute als einer der traditionsreichsten Teilchenphysikschulen weltweit; sie hat im letzten Jahr zum 55. Mal stattgefunden und wird heute immer noch von den Kollegen aus Siegen mit organisiert.

Im Jahre 2004 ist Prof Dahmen emeritiert worden, was für ihn aber keinesfalls Ruhestand bedeutete. Er blieb weiterhin aktiv in der Lehre, insbesondere im internationalen Masterstudiengang, und er hat seine weitreichende Erfahrung in der Verwaltung weiterhin zur Verfügung gestellt. Sein Beitrag zur Erstakkreditierung der Physikstudiengänge im Jahr 2005 war seinerzeit entscheidend bei der Diskussion mit den Akkreditierungsagenturen, da die Universität Siegen hier eine Vorreiterrolle einnahm.

Mehr als zehn Jahre nach seiner Emeritierung hat sich Prof. Dahmen zurückgezogen und ganz seiner Familie in Greifswald zugewandt, da erste gesundheitliche Beeinträchtigungen seine Tätigkeit erschwerten. Die theoretische Teilchenphysik in Siegen ist sehr dankbar für sein enormes Engagement in Forschung, Lehre und auch in der Verwaltung. Ohne sein Wirken wäre der Aufbau der Gruppe zu ihrer heutigen Größe nicht möglich gewesen. Für ihn war die Physik nicht nur ein Beruf, sondern eine Berufung und ein Lebensstil. Wir werden ihm immer ein ehrendes Andenken bewahren.

Thomas Mannel
(für die Kollegen aus der Siegener Elementarteilchenphysik)

Aktualisiert um 14:31 am 13. Dezember 2023 von Thomas Reppel.