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Standing Ovations für Quantenphysik

Zum zweiten Mal präsentierte sich das Department Physik der Universität Siegen im Siegener Apollo-Theater. Vor vollen Rängen zeigte das Team einen Mix aus Wissenschaft, Musik und Akrobatik – im Fokus stand diesmal die Quantenphysik.

Mit hoher Physik die Ränge des Siegener Apollo-Theaters komplett füllen – dass das funktioniert, hat das Team des Siegener Physik-Departments jetzt erneut unter Beweis gestellt. Auch bei der zweiten Auflage von „Physik im Apollo“ platzte der Theatersaal aus allen Nähten. Dabei hatte es das Thema durchaus in sich: Im Mittelpunkt stand dieses Mal die Quantenphysik, also jene Physik, die ganz anders funktioniert als die so genannte „klassische“ Physik und auch als alles, was wir aus unserem „normalen“ Alltagserleben kennen. Warum die Quantenphysik gerade deshalb das Potenzial hat, die Computerentwicklung zu revolutionieren, erfuhr das Publikum in einem kurzweiligen und unterhaltsamen Mix aus Vorträgen, Akrobatik und Musik. Das Besondere: Alle Künstlerinnen und Künstler, die dabei auf der Bühne standen, sind entweder selbst Physiker:innen – oder dem Siegener Physik-Department sehr eng verbunden.

„Das war ein toller Abend. Unseren Physikerinnen und Physikern ist es auf hervorragende Weise gelungen, ein wichtiges und hochkarätiges Forschungsthema unserer Universität einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Die enge Verbindung zwischen Universität und Stadt, zwischen Wissenschaft und Bürgerinnen und Bürgern ist mir persönlich ein großes Anliegen. Deshalb danke ich allen Beteiligen sehr herzlich für ihr Engagement“, sagte Uni-Rektorin Prof. Dr. Stephanie Reese. An der Uni Siegen wird seit vielen Jahren intensiv im Bereich der Quantenphysik geforscht, das Department Physik ist unter anderem Standort des ersten deutschen Quantencomputers. Damit griff die Reihe „Physik im Apollo“ ein weiteres Mal eines der großen Siegener Forschungsthemen auf – nach der ersten Ausgabe, bei der die Teilchenphysik im Mittelpunkt stand. In diesem Themenbereich haben die Siegener Physiker:innen jüngst erfolgreich die erste große Hürde im Exzellenzcluster-Wettbewerb genommen.

Q-Bits können eine Menge mehr, als „0“ und „1“

Eröffnet wurde die 2. Ausgabe vom Siegener Physik-Professor und Initiator der Veranstaltung, Prof. Dr. Alexander Lenz mit einem „Crashkurs“ in Quantenphysik: „Sie werden jetzt in 30 Minuten lernen, wofür unsere Studierenden 15 Wochen lang eine jeweils vierstündige Vorlesung besuchen“, kündigte Lenz mit einem Augenzwinkern an – um das Publikum dann mitzunehmen auf eine Zeitreise ins Jahr 1925, in dem die neuen Gesetze der Quantentheorie entdeckt wurden. Damals noch reine Grundlagenforschung und von großen Physikern wie Albert Einstein kritisch beäugt, verspricht die Quantenmechanik heute Anwendungspotenziale in vielen Bereichen: Von Lasern, über Halbleiter bis hin zu Quantencomputern.

Aber was macht Quanten eigentlich so besonders? Und was können Quanten-Bits, was klassische Bits nicht können? Um das zu veranschaulichen, bat Lenz kurzerhand seine Frau Dr. Marion Lenz und seine beiden Söhne Leon (20) und Kilian (15) auf die Bühne. Zusammen bildet die Familie die Akrobatik-Formation „formafortis“ – und mit Hilfe der Akrobatik veranschaulichten die Vier auch die außergewöhnlichen Eigenschaften von Q-Bits: Während klassische Bits nur den Zustand „1“ (ins Publikum schauen) oder „0“ (dem Publikum den Rücken zukehren) kennen, können Q-Bits die tollsten Kunststücke vollführen: Erst recht, wenn sie sich zu Mehreren zusammentun (physikalisch wird das als „Verschränkung“ bezeichnet). Spätestens nach dem Titel „Radioactivity“ von Kraftwerk, zu dem auch Lenz selbst vom Anzug ins Akrobatikoutfit wechselte, hatte das staunende Publikum verstanden: Q-Bits können noch eine Menge mehr, als nur „0“ und „1“.

Mehr Basiszustände als Atome im Universum

Den Hauptvortrag hielt im Anschluss Dr. Heike Riel, Leiterin „Quantencomputing Europe“ beim amerikanischen IT-Riesen IBM. „Ich freue mich, hier in Siegen zu sein, wo an der Universität sehr intensiv im Bereich des Quantencomputing geforscht wird und wo erfolgreiche Start-Ups wie eleQtron gegründet werden“, sagte Riel. Anschließend erläuterte sie, wie Quantencomputer die besonderen Eigenschaften von Quanten nutzen, um zu höheren Rechenleistungen zu kommen als bis dato die stärksten Hochleistungsrechner. „Mit Q-Bits lassen sich theoretisch mehr Basiszustände generieren, als Atome im Universum existieren“, erklärte Riel. „Wenn wir lernen, Q-Bits zu beherrschen, können wir damit in Zukunft Probleme lösen, die unsere heutigen Superrechner nicht schaffen.“ Welchen Ansatz IBM dabei verfolgt und wie dort der aktuelle Entwicklungsstand in Sachen Quantencomputing ist, erfuhr das Publikum in ihrem spannenden Vortrag. Im Anschluss hatten die Zuhörer:innen in einer von Uni-Kanzler Ulf Richter moderierten Fragerunde noch die Gelegenheit, mit der Expertin ins Gespräch zu kommen.

Für Unterhaltung sorgten zwei weitere musikalische Einlagen: Teilchenphysikerin Eleftheria Malami (Gesang) und der Physik-Student und ausgebildete Pianist Alexander Breitenbach präsentierten „Set fire to the rain“ von Adele, das Lenz kurzerhand zu einem „Quantencomputing-Lied“ erklärte („Der Versuch, Quanten zu beherrschen ist ungefähr so verrückt, wie den Regen anzuzünden.“). Das große Finale bildete „Nothing Else Matters“ von Metallica mit Alexander Breitenbach am Piano, dem Siegener Physik-Professor und Entwickler des ersten deutschen Quantencomputers, Christof Wunderlich an der Gitarre und dem Dekan der Naturwissenschaftlich-Technischen Fakultät der Universität Siegen, Prof. Dr. Holger Schönherr an der E-Gitarre. Prof. Lenz und Dr. Marion Lenz präsentierten dazu noch einmal ihr akrobatisches Können. Belohnt wurde die Performance von den rund 500 Gästen im Apollo-Theater mit Standing Ovations.

Im Theater-Foyer hatten Interessierte schon ab dem Nachmittag die Gelegenheit, sich an zahlreichen Ständen über die Forschungsschwerpunkte und Studiengänge des Siegener Physik-Departments zu informieren.

Zusammen mit seiner Familie bildet Physik-Professor Dr. Alexander Lenz die Akrobatikformation „formafortis“.

Aktualisiert um 13:51 am 16. April 2024 von Thomas Reppel.