Universität Siegen betreut landesweites Pilotprojekt zu KI an Schulen
Das Schulministerium startet in NRW ein Pilotprojekt, um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in den Fächern Mathematik und Deutsch zu erproben. Die wissenschaftliche Leitung übernehmen zwei Arbeitsgruppen der Universität Siegen. Das Land fördert das Projekt mit über einer Million Euro.
Wird generative Künstliche Intelligenz (KI) wie etwa ChatGPT durchdacht und verantwortungsvoll eingesetzt, hat sie ein großes Potential für die Weiterentwicklung des Schulunterrichts. Sie kann Lehrkräfte zum Beispiel dabei entlasten und unterstützen, Lernprozesse von Schüler*innen zu begleiten. Ob es darum geht, im Fach Mathematik eine Geometrieaufgabe zu lösen oder darum, im Fach Deutsch eine schriftliche Argumentation zu verfassen: KI kann Schüler*innen während solcher Arbeitsprozesse individuell und wiederholt Rückmeldungen geben – vorausgesetzt, sie wird von den Lehrkräften kompetent eingebunden.
Wie das gelingen kann, soll in Nordrhein-Westfalen nun im Rahmen eines Pilotprojektes mit 25 Schulen der Sekundarstufe I erprobt werden. Das Projekt KIMADU (Künstliche Intelligenz im Mathematik- und Deutschunterricht) wurde vom Ministerium für Schule und Bildung (MSB) initiiert und wird vom Land NRW mit über einer Million Euro gefördert. Die wissenschaftliche Leitung übernehmen die Teams von Prof. Dr. Ingo Witzke (Mathematikdidaktik) und Prof. Dr. Torsten Steinhoff (Didaktik der deutschen Sprache) der Universität Siegen.
„Mit dem landesweiten Pilotprojekt gehören 25 Schulen in NRW zu den Pionieren, die KI im Unterricht unter wissenschaftlicher Begleitung einsetzen. Wir erhoffen uns neue Erkenntnisse zu den Möglichkeiten individueller Förderung über das Lehren und Lernen mit KI, an denen sich andere Schulen orientieren können“, sagt Schulministerin Dorothee Feller. KI habe für den Unterricht ein großes Potential, brauche aber einen klaren Rahmen. Gleichzeitig sei wichtig, dass Schüler*innen von Anfang an reflektiert mit den neuen Möglichkeiten umgehen und sich der Grenzen bewusst sind.
Die beiden Siegener Projektleiter Prof. Dr. Ingo Witzke und Prof. Dr. Torsten Steinhoff möchten in dem Projekt Forschung auf hohem Niveau mit der Unterrichtspraxis in den Schulen verbinden. „Es geht uns darum, gute didaktische Orte zu identifizieren, um KI im Unterricht einzusetzen. Dazu müssen wir auch die Lern-, Aufgaben- und Prüfungskultur an den Schulen überdenken. Besonders wichtig ist uns dabei eine enge und auf gemeinsamen Zielvorstellungen basierende Zusammenarbeit mit den Schulen“, sagt Prof. Witzke. „Mathematische und sprachliche Kompetenzen bleiben auch in Zeiten von KI wichtig und können nun sogar noch besser gefördert werden. Voraussetzung dafür ist, dass KI den Lehrer*innen und Schüler*innen Lehr- und Lernprozesse nicht einfach abnimmt, sondern diese Prozesse konstruktiv – wie ein Tutor oder Partner – unterstützt. Dazu wollen wir einen Beitrag leisten“, sagt Prof. Steinhoff.
Das Forschungsinteresse von KIMADU richtet sich auf die Erarbeitung von Rahmenkonzepten für Mathematik- und Deutschaufgaben, die KI sinnvoll integrieren, die Beobachtung des Unterrichts und die Untersuchung der Entwicklung der Einstellungen und Kompetenzen von Lehrer*innen und Schüler*innen im Projektverlauf. Die teilnehmenden Schulen erhalten einen datenschutzkonformen Zugang zu verschiedenen Large Language Models (LLM), mit denen sie die Aufgaben im Unterricht erproben können. LLM sind Sprachmodelle, die mit großen Datenmengen trainiert wurden und auf dieser Basis Texte generieren. Das Siegener Projektteam plant zudem Besuche an allen 25 Schulen, wöchentliche Online-Sprechstunden sowie mehrere Fachtagungen zum gegenseitigen Austausch.
„Wir möchten an der Universität Siegen gemeinsam die konzeptionellen Grundlagen für gute KI-Lernarrangements schaffen. Der Unterricht selbst wird aber von den Fachlehrer*innen vor Ort umgesetzt“, sagt Witzke. „Dafür besuchen unsere Teams die teilnehmenden Schulen und tauschen sich intensiv und regelmäßig im Rahmen von Fachtagen und Online-Sprechstunden mit Lehrkräften aus“, so Steinhoff. Formate, die sich dabei bewähren, sollen am Ende in die schulinternen Medienkonzepte und Curricula aufgenommen werden, um das Lernen mit KI nachhaltig zu verankern. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung sowie Best-Practice-Beispiele werden projektbegleitend auf der Homepage www.lernen-digital.de veröffentlicht, damit alle Schulen in NRW davon profitieren können.
Das Projekt wird an den Schulen vom 1. Februar 2025 bis zum 31. Juli 2027 durchgeführt. Interessierte Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien, Gesamt-, Sekundar- und Primusschulen aus allen Regierungsbezirken können sich bis zum 22. November 2024 für die Teilnahme bewerben. Weitere Infos zu den Voraussetzungen finden Sie unter: https://kimadu.de
Kontakt:
Prof. Dr. Ingo Witzke (Mathematikdidaktik, Universität Siegen)
E-Mail: witzke@mathematik.uni-siegen.de
Tel.: 0271 740-3579
Prof. Dr. Torsten Steinhoff (Didaktik der deutschen Sprache, Universität Siegen)
E-Mail: steinhoff@germanistik.uni-siegen.de
Tel.: 0271 740-2936
Aktualisiert um 10:30 am 27. September 2024 von Thomas Reppel
KI-Experte Dr. André Klahold neuer Honorarprofessor
Die Universität Siegen hat Dr. André Klahold zum Honorarprofessor ausgezeichnet. Klahold ist seit über 16 Jahren am Department für Elektrotechnik und Informatik tätig. Seine Ernennung soll die Synergien zwischen akademischer Forschung, Lehre und innovativer Unternehmenspraxis stärken.
Der KI-Experte und Unternehmer Dr. André Klahold ist neuer Honorarprofessor am Department Elektrotechnik und Informatik der Universität Siegen. Der Dekan der Naturwissenschaftlich-Technischen Fakultät, Prof. Dr. Holger Schönherr überreichte jetzt die Ernennungsurkunde – verbunden mit den Glückwünschen der Fakultät.
Klahold ist Geschäftsführer der InterRed GmbH, einem Softwareunternehmen im Bereich KI-basiertes „Multi-Channel-Publishing“. Seit 1988 beschäftigt er sich wissenschaftlich mit der Informatik und hat sich auf die Themenfelder Content Management, Künstliche Intelligenz und Computer Aided Writing spezialisiert. Nach seiner Promotion im Fach Informatik, die er 2006 mit summa cum laude abschloss, hat er am Siegener Lehrstuhl für Wissensbasierte Systeme und Wissensmanagement von Prof. Dr. Madjid Fathi zahlreiche Arbeiten mitbetreut und seit über 16 Jahren kontinuierlich Vorlesungen gehalten. Klahold ist außerdem Senior Member des IEEE (Institute of Electrical and Electronics Engineers) und Autor zahlreicher Bücher und Fachartikel.
„Die Ernennung von Dr. André Klahold zum Honorarprofessor ist ein bedeutender Schritt zur Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen Universität und Wirtschaft, wodurch wir die Innovationskraft und den langfristigen Erfolg unserer regionalen Unternehmen nachhaltig stärken“, sagte Prof. Dr. Holger Schönherr bei der Urkundenüberreichung.
Prof. Dr. Jöran Beel vom Lehrstuhl für Intelligente Systeme würdigte die bisherigen Verdienste von Dr. Klahold: „Seine praxisorientierten Vorlesungen sind bei unseren Studierenden äußerst beliebt und eröffnen ihnen einzigartige Perspektiven in zukunftsweisende Technologien und deren Anwendung in der Praxis.“
Hintergrund:
Die InterRed GmbH mit Hauptsitz in Haiger und Geschäftssitz in Siegen zählt zu den technologisch führenden Anbietern im Bereich des KI-basierten Multi-Channel-Publishing. Mittlerweile arbeiten rund 70 Mitarbeiter*innen am Standort Siegen. Mit der Software aus Siegen werden Europas größte Tageszeitung, Deutschlands größte Tages- und Wochenzeitung, die auflagenstärkste deutsche Zeitschrift sowie Publikationen bei international tätigen Industrieunternehmen produziert.
Aktualisiert um 9:29 am 5. September 2024 von Thomas Reppel
Das Potenzial alter Elektroautos nutzen
Ein neues Graduiertenkolleg beschäftigt sich mit dem Recycling von E-Autos. Die Universität Siegen ist mit fünf Lehrstühlen beteiligt – mit dabei sind außerdem Wissenschaftler*innen aus Aachen, Münster und Wuppertal. Das Graduiertenkolleg „Circular E-Cars“ wird mit 8,4 Mio. Euro gefördert.
In Elektroautos werden im Vergleich zu herkömmlichen Automobilen deutlich mehr wertvolle Nichteisenmetalle sowie neuartige Verbund- und Kunststoffe verarbeitet. Das Recycling von Altfahrzeugen hat daher ein enormes Potenzial, das bislang aber nur unzureichend genutzt wird. Aktuelle, manuelle Demontageprozesse sind zeit- und kostenintensiv. Das neue Graduiertenkolleg (GRK) „Circular E-Cars“ setzt genau hier an: Zehn Lehrstühle sowie weitere Einrichtungen der RWTH Aachen, fünf Lehrstühle der Universität Siegen, zwei Arbeitsgruppen der FH Münster, Wissenschaftler*innen des Wuppertal Instituts und der Nachhaltigkeitsinitiative Humboldtn sowie Industrieunternehmen arbeiten im GRK zusammen. Gemeinsam möchten sie das Rheinische Revier zu einem europaweit führenden Standort für Forschung, Entwicklung und Innovation von metallfokussierten Kreisläufen von Elektroautos entwickeln. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Vorhaben in den kommenden vier Jahren mit 8,4 Millionen Euro – davon gehen 1,8 Millionen Euro an die Uni Siegen.
„Auf Siegener Seite sind wir mit einer Vielzahl von Kolleginnen und Kollegen an dem Graduiertenkolleg beteiligt. Spezielle Expertise können wir insbesondere im Bereich der additiven Fertigung sowie bei Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) einbringen. Auch die hochmoderne Ausstattung unseres Forschungsgebäudes INCYTE, das im kommenden Frühjahr eröffnet wird, wird der gemeinsamen Forschungsarbeit zugutekommen“, sagt der Siegener Sprecher des GRK, Prof. Dr.-Ing. Axel von Hehl. „Die Einrichtung des Graduiertenkollegs ist ein großer Erfolg für alle Beteiligten und Ausweis einer hervorragenden partnerschaftlichen Zusammenarbeit. Dazu gratuliere ich herzlich. Die Förderung von Doktorandinnen und Doktoranden ist zudem ein wichtiges Anliegen unserer Universität“, sagt die Siegener Uni-Rektorin Prof. Dr. Stefanie Reese. Am Standort Siegen entstehen im Rahmen des Graduiertenkollegs fünf neue Doktorand*innen-Stellen.
„Die Vision des Vorhabens besteht darin, neue Wege in der Kreislaufwirtschaft verschiedener Stoffströme von E-Cars zu gehen und im Rheinischen Revier zu etablieren“, erklärt der Sprecher des Graduiertenkollegs, Professor Peter Letmathe vom Lehrstuhl für Controlling der RWTH Aachen.
Im Bereich der Rezyklierfähigkeit werden in „Circular E-Cars“ neuartige Verfahren zur Demontage von Elektroautos und zur stofflichen Verwertung der Komponenten entwickelt. Ressourceneffiziente, (teil)automatisierte Demontageprozesse sollen unter Einsatz von Augmented Reality und künstlicher Intelligenz entwickelt werden. Wissenschaftler*innen der Uni Siegen beschäftigen sich in diesem Zusammenhang speziell mit der Wiederverwertung von in E-Autos enthaltenen Aluminiumfraktionen. Sie möchten Wege finden, diese konsequent ohne Zusatz von Primäraluminium im geschlossenen Sekundärmaterialkreislauf zu führen. „Das kann nur gelingen, wenn Produkt- und Prozessgestaltung fundamental neu gedacht und alles auf das Qualitätsmerkmal Recyclingfreundlichkeit hin ausgerichtet wird. Dazu ist in den kommenden Jahren eine intensive anwendungsorientierte Grundlagenforschung notwendig, die wir zusammen mit den anderen GRK-Standorten vorantreiben möchten“, sagt Prof. von Hehl.
Neben der technischen Seite werden im GRK zudem gezielt Geschäftsmodelle, Industriestandorte und Arbeitsmarktkompetenzen untersucht, wobei ein Fokus auf kleinen und mittleren Unternehmen liegt. Circular E-Cars bindet mehrere Transformationsplattformen ein, um regionale Unternehmen einzubeziehen und damit den erfolgreichen Transfer von wissenschaftlichen Ergebnissen in tragfähige Geschäftsmodelle zu gewährleisten – darunter die deutschlandweit einzigartige Transformationsplattform REVIERa, die den Strukturwandel im Rheinischen Revier durch ein Netzwerk von über 50 Akteurinnen und Akteure vor Ort unterstützt. Der Wissenstransfer soll außerdem durch die im Graduiertenkolleg ausgebildeten Promovierenden begleitet und sichergestellt werden. In 22 Promotionsvorhaben werden verteilt über die Standorte in sogenannten Lösungspartnerschaften mit Unternehmen und verschiedenen Akteur*innen aus Praxis und Wissenschaft alle Elemente zirkulärer Wertschöpfungsketten von E-Autos erforscht.
Circular E-Cars ist auf die Bildung eines Innovationsökosystems ausgerichtet, das langfristig mindestens 7.000 Arbeitsplätze im Rheinischen Revier in der Kreislaufwirtschaft schaffen soll und die Zukunftsfähigkeit der Region substanziell erhöht.
Hintergrund
Die Universität Siegen beteiligt sich mit dem Lehrstuhl für Materialkunde und Werkstoffprüfung (LMW), dem Lehrstuhl für Produktentwicklung (LPE), dem Lehrstuhl für Mikro- und Nanoanalytik (LMN), dem Lehrstuhl für International Production Engineering and Management (IPEM) und dem Lehrstuhl für Höchstfrequenztechnik und Quantenelektronik (HQE) an dem Graduiertenkolleg.
Kontakt:
Prof. Dr.-Ing. Axel von Hehl (Lehrstuhl für Materialkunde und Werkstoffprüfung der Universität Siegen, Siegener Sprecher des Graduiertenkollegs „Circular E-Cars“)
Tel.: 0271-740 5389
E-Mail: Axel.vHehl@uni-siegen.de
Aktualisiert um 20:52 am 4. September 2024 von Thomas Reppel
LMD-Technologie und Forschungsbrauerei
Zweifellos einen Höhepunkt in der noch jungen Erfolgsgeschichte des Campus Buschhütten setzte die Smarte Demonstrationsfabrik Siegen (SDFS) mit dem 1. Impulsforum. Teilnehmer*innen aus Industrie und Wissenschaft trafen sich im Rahmen einer kleinen Industriemesse am Campus Buschhütten, der seit der Gründung vor fünf Jahren als Brückenbauer zwischen Theorie und Praxis in der Produktionstechnik fungiert. Unternehmen der Region Südwestfalen und die Universität Siegen arbeiten im Sinne des Wissens- und Technologietransfers erfolgreich zusammen.
In ihrem Grußwort betonte Prof. Dr. Stefanie Reese, Rektorin der Universität Siegen, wie wichtig der Campus Buschhütten als Schnittstelle sei, um Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit zu finden. „Wie schaffen wir die digitale Transformation? Wie können wir im Sinne der Nachhaltigkeit ressourcenschonend produzieren? Welche Rolle spielt KI dabei, und wie können wir neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei diesen Prozessen mitnehmen und ausbilden?“
Der Campus Buschhütten leiste einen praktischen Beitrag zur Lösung dieser Fragen, erklärte die Rektorin. Das Projekt habe Strahlkraft. „Denn der Transfer von Wissenschaft in die Praxis wird hier umgesetzt.“ Hier könne man die Attraktivität des Ingenieurwesens erleben. „Es herrscht spürbarer Innovationsgeist“, so Reese. Sie lobte nicht nur die Arbeit von Prof. Dr. Peter Burggräf (Lehrstuhl für International Production, Engineering and Management/IPEM) als Mitinitiator des Campus Buschhütten sowie die von Prof. Dr. Axel von Hehl (Lehrstuhl für Materialkunde und Werkstoffprüfung/LMW), sondern auch das unermüdliche Engagement der Familie Barten, an deren Unternehmensstandort (Fa. Achenbach) der Campus sein Zuhause hat. Zum Netzwerk gehören neben der Universität Siegen auch die RWTH Aachen University und nahezu 80 Unternehmen aus Produktion und IT.
Beim Impulsforum wurden spannende Projekte vorgestellt. Dazu kamen Vorträge und Diskussionen mit hochkarätigen Gästen, unter anderen dem BDI-Präsident Prof. Dr. Siegfried Russwurm. Zudem wurden auch zwei neue Anlagen präsentiert, die Teil des Forschungsprojekts „Cyber Production Management Lab“ (CPML) sind. Das CPML-Projekt wird vom Nordrhein-Westfälischen Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie (MWIKE) gefördert.
Dabei handelt es sich zum einen um eine Laser Metal Deposition-Anlage (LMD) zur Additiven Fertigung für Metall, inklusive der Beschichtung und Reparatur hochbeanspruchter metallischer Bauteile. Es ist eine High End Anlage, die der Erforschung des innovativen Themas 3D-Metalldruck dient. Nicht zuletzt aufgrund kritischer globaler Lieferketten und der damit einhergehenden Rohstoffknappheit gewinnt das Thema Kreislaufwirtschaft zunehmend an Bedeutung: Produkte und Maschinen und Anlagen sollen so lange wie möglich genutzt, bei Bedarf aufgearbeitet (Re-Manufacturing) und erst als letzte Möglichkeit als Rohstoff in den Kreislauf zurückgeführt werden (Recycling). Ein neues, in der Praxis noch weitgehend nicht eingesetztes Verfahren, die „Laser Metal Deposition Technologie“ (LMD), ermöglicht beispielsweise hocheffizient und flexibel das Aufschmelzen eines Metallpulvers mit Hilfe eines Lasers. Dieses Verfahren dient sowohl der Herstellung dreidimensionaler Bauteile als auch deren innovativen Beschichtung.
Trotz der kurzen Projektlaufzeit haben bereits zahlreiche Industrieunternehmen in Südwestfalen großes Interesse an der LMD-Technologie. Ziel ist es, den Campus Buschhütten zu einer regionalen Anlaufstelle für 3D-Druck inklusive der innovativen Beschichtung und Reparatur hoch beanspruchter metallischer Bauteile aufzubauen, Beratung zu leisten, die Eignung der Technologie für unternehmensindividuelle Anwendungen zu testen sowie Anlagenkapazitäten für die Fertigung von Prototypen zur Verfügung zu stellen.
Ein auch optisch besonderes Highlight ist die Industrie 4.0-Referenzbrauanlage bestehend aus einem zehn Hektoliter Sudwerk mit vier Gär- und Lagertanks. Das Projekt umfasst zunächst die Übertragung der Erkenntnisse zur Prozessoptimierung aus dem Maschinen- und Anlagenbau in das Brauwesen. Weiterhin kommen modernste Technologien und Verfahren zum Einsatz. Ziel der kleinen Forschungsbrauerei ist es, zu einem Vorreiter in der Branche zu werden. Vorgestellt wurde der „DrinkTank“ vom Projektleiter und Doktorand am IPEM-Lehrstuhl Phillip Nettesheim.
Zu den Mitgliedern des entsprechenden Projekt-Arbeitskreises zählen auch das Forschungsinstitut Weihenstephan mit seinem Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie und die Krombacher Brauerei. Gebündelte Expertise und modernste Technologien werden so zusammengebracht, um nicht nur die Effizienz des gesamten Brauprozesses zu verbessern, sondern auch das Gebot einer verstärkten ökologischen Nachhaltigkeit fest im Blick haben. In der Region stärkt es die Tradition der Brauindustrie. Besucher*innen des Campus Buschhütten haben die Möglichkeit, das naturtrübe Landbier, das in der neu gegründeten Buschhütter Brauwerkstatt auf der Industrie 4.0-Referenzbrauanlage produziert wird, vor Ort zu verkosten.
Aktualisiert um 8:09 am 4. September 2024 von Thomas Reppel
KIRETT verbessert Erstversorgung bei Rettungseinsätzen
Leben retten mithilfe von künstlicher Intelligenz: Wissenschaftler der Universität Siegen haben im Rahmen des KIRETT-Projektes ein tragbares Gerät entwickelt, das bei Rettungseinsätzen praktische Handlungsempfehlungen zur Erstversorgung gibt.
Dieses Gerät hilft den Helfern: Im Rahmen des innovativen Projektes „KIRETT – Computerunterstützung durch künstliche Intelligenz bei Rettungseinsätzen zur Verbesserung der Erstversorgung“ konnten Forschende der Universität Siegen unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Roman Obermaisser neue Erkenntnisse für die Notfallmedizin gewinnen. Ziel des KIRETT-Projekts war es, zu erforschen, ob die Erstversorgung bei Rettungseinsätzen durch ein tragbares Gerät, ein sogenanntes Wearable, verbessert werden kann. Dieses erkennt Notfallsituationen wie Atemwegs-, Herz-Kreislauf- oder neurologische Komplikationen durch maschinelles Lernen und gibt dem Rettungspersonal mittels künstlicher Intelligenz klare Handlungsempfehlungen, wie es Patient*innen behandeln sollte.
Nach dreijähriger Laufzeit endet das Projekt nun – und die Ergebnisse sind überaus vielversprechend. KIRETT gehört zum Programm „Forschung für die zivile Sicherheit“ und wurde gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Initiative „KMU-innovativ“. „Die innovativen Techniken zur Situationserkennung und für Handlungsempfehlungen in einem energieeffizienten und zuverlässigen Wearable haben das Potential, die Erstversorgung in Rettungseinsätzen signifikant zu verbessern“, erklärt Prof. Roman Obermaisser.
Das Wearable vereint mehrere Funktionen während eines Rettungseinsatzes: Der KI-Algorithmus im Inneren des Gerätes nutzt alle bekannten Daten der Leitstelle, die manuellen Eingaben der Rettungskräfte, die mittels Fragebogen erhoben werden, und Vitaldaten der Patient*innen wie Sauerstoffsättigung und Herzfrequenz, die mittels Sensoren am Körper gemessen werden, um Prognosen zu erstellen und so die Effizienz und Qualität der Behandlung zu erhöhen. Der entwickelte Prototyp ermöglichte es den Rettungskräften, ihre volle Aufmerksamkeit auf den Notfallpatienten zu richten, indem er relevante Einsatzdaten automatisch im Behandlungsverlauf bereitstellte.
Besonders bei spezielleren, kritischen Einsatzlagen sollte die Versorgungssituation durch das Wearable optimiert werden: In einem Massenanfall von Verletzten-Szenario, bei dem viele Menschen gleichzeitig behandelt werden müssen, oder in seltenen Notfällen, wie etwa einem Schlangenbiss, können Unsicherheit, Erfahrungslücken, hohe Arbeitsanforderungen und Überforderung der Einsatzkräfte zu Verzögerungen führen. Besonders in diesen Einsätzen erhöht das Wearable die Sicherheit und spart wertvolle Zeit durch eine schnelle und gründliche Situationsanalyse.
Getestet und erprobt wurde das tragbare Gerät in verschiedensten Einsatzszenarien durch die Feuer- und Rettungswache Siegen. In die finale Bewertung flossen qualitative Interviews mit den beteiligten Rettungskräften sowie eine quantitative Befragung ein. Sowohl die Qualität der Situationserkennung als auch die kontextabhängigen Handlungsempfehlungen wurden dabei unter die Lupe genommen. Die lokalen Partner spielten eine tragende Rolle, indem sie wertvolles Feedback und Unterstützung lieferten.
Gewinne für die Zukunft des Rettungsdienstes
Die Ergebnisse des KIRETT-Projekts legen den Grundstein für eine nachhaltige Verbesserung der Notfallmedizin. Ziel ist es, die neu entwickelten Technologien in zukünftigen Projekten und Anwendungen zu optimieren. Besonders die Kombination aus tragbaren Geräten und künstlicher Intelligenz bietet großes Potenzial für die Weiterentwicklung der medizinischen Versorgung. Ein mögliches Einsatzgebiet des KIRETT-Wearables wäre die präklinische Versorgung in ländlichen Gebieten bei Rettungsszenarien. In Regionen, in denen der Zugang zu medizinischer Versorgung begrenzt ist, könnte das Wearable die Erstversorgung durch weniger erfahrenes Personal unterstützen und so die Überlebenschancen der Patienten erhöhen. Die im Projekt gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen können zudem in die Weiterentwicklung von Ausbildungsprogrammen für Rettungskräfte einfließen.
Für Prof. Roman Obermaisser sind die beiden wichtigsten Errungenschaften des Wearables der neuartige KI-basierte Algorithmus zur Erkennung von Komplikationen und die geringe Inferenzzeit für die Krankheitsprognose: „Bei Rettungseinsätzen ist Zeit der kritischste Faktor, der bei begrenzter Datenverfügbarkeit zu berücksichtigen ist, und hier soll das KIRETT-Gerät mit seiner Innovation einen wichtigen Beitrag leisten“, betont er.
Projektpartner von KIRETT
An dem KIRETT-Projekt haben sich folgende Partner beteiligt: CRS Medical GmbH (Aßlar), mbeder GmbH (Siegen), der Lehrstuhl für Embedded Systems (Prof. Dr. Roman Obermaisser) sowie das Institut für Wissensbasierte Systeme und Wissensmanagement (Prof. Dr.-Ing. Madjid Fathi) der Universität Siegen. Die assoziierten Partner waren der Kreis Siegen-Wittgenstein, die Stadt Siegen, das Deutsche Rote Kreuz Siegen und das Jung-Stilling-Krankenhaus in Siegen. Die Gesamtzuwendung für das Projekt betrug 1,3 Millionen Euro.
Kontakt:
Prof. Dr.-Ing. Roman Obermaisser
E-Mail: Roman.Obermaisser@uni-siegen.de
Tel.: 0271 740-3332
Aktualisiert um 8:06 am 4. September 2024 von Thomas Reppel