Delegation aus den USA zu Gast
Eine Delegation aus den USA hat die „Didaktik der Mathematik“ der Universität Siegen besucht. Hintergrund des Besuchs waren die gemeinsamen Projekte „Authentic-STEM“, bei dem Schüler*innen aus dem Kreis Olpe und aus den USA gemeinsam Lösungen für reale Probleme internationaler Unternehmen erarbeiten und das Projekt „Learning to teach“ zur interkulturellen LehrerInnenbildung.
Eine Delegation aus dem US-Bundesstaat New York sowie Studierende und Lehrende der Adams State University aus Colorado waren für eine Woche bei der Mathematikdidaktik der Uni Siegen zu Gast. Im Rahmen einer Begrüßungsveranstaltung wurde die Gruppe von Prof. Dr. Holger Schönherr, Dekan der Naturwissenschaftlich-Technischen Fakultät sowie von Dr. Katharina Sommer, Leiterin des International Office und Prof. Dr. Ingo Witzke, Geschäftsführender Direktor der Fachgruppe Mathematikdidaktik, willkommen geheißen. Auf dem Programm standen verschiedene Workshops zur MINT-Bildung, aber auch Besuche in Schulen und Unternehmen in der Region. Zu den Höhepunkten zählte ein Tagesausflug nach Düsseldorf mit Besuch des NRW-Landtags und einem Treffen mit der US-Generalkonsulin Pauline Kao.
Hintergrund des Besuchs war das Projekt „Learning to teach“ (Leitung Amelie Vogler) und das Projekt „Authentic-STEM“ (Leitung Dr. Gero Stoffels) der Fachgruppe Mathematikdidaktik: „In Learning to teach“ entwickeln interkulturelle Teams von Lehramtsstudierenden interkulturelle Forschungsprojekte beispielsweise zu Themen wie Heterogenität, Bildungsstandards oder Digitalität. In „Authentic-STEM“ hingegen erarbeiten Schüler*innen aus der Region und aus dem Staat New York in den USA gemeinsam Lösungen für reale Probleme internationaler Unternehmen. Der Pilot-Durchgang von Authentic-STEM wurde im Sommer abgeschlossen, im Februar 2023 soll der erste reguläre Durchgang starten. „Bei dem Besuch ging es auch darum, die Zusammenarbeit mit den Projektbeteiligten auf amerikanischer Seite zu stärken und das Netzwerk des Projektes weiter auszubauen“, erklärt Projektleiter Dr. Gero Stoffels. „Die Zusammenarbeit auf digitalem Wege hat im Pilotdurchgang prima funktioniert. Trotzdem stärkt es die Verbindungen, wenn die beteiligten Schulen, Unternehmen und Personen sich einmal direkt und persönlich kennenlernen.“
Weitere Informationen zum Projekt „Authentic-STEM“ finden Sie hier.
Aktualisiert um 10:41 am 21. Dezember 2022 von Thomas Reppel
Materialwissenschaftliche DFG-Forschungsgruppe verlängert
Seit 2020 arbeitet eine internationale Forschungsgruppe, an der die Universität Siegen beteiligt ist, an Ultraschallüberwachungen von Faser-Metall-Laminaten mit integrierten Sensoren. Das von der Deutschen Forschungsgesellschaft geförderte Projekt erhielt nun seine Verlängerungszusage.
Forschungserfolg für das Institut für Werkstofftechnik an der Universität Siegen. Die von der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) geförderte Forschungsgruppe FOR 3022 „Ultraschallüberwachung von Faser-Metall-Laminaten mit integrierten Sensoren“ wird verlängert. Das Projekt, an dem neben der Universität Siegen die TU Braunschweig, die HSU Hamburg und die Universität Bremen beteiligt sind, erhielt die Bewilligung von Forschungsgeldern in Höhe von über 3 Mio. Euro.
Die Forschungsgruppe arbeitet im Bereich der Leichtbauwerkstoffe, die gerade in der Mobilität immer stärker nachgefragt werden. Hier gewinnen faserverstärkte Kunststoffe in Kombination mit dünnen Metallschichten von weniger als 500µm Höhe, so genannte Fibre-Metal-Laminates (FML), als Alternative zu reinem Aluminium oder carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK) an Bedeutung.
Da bei FML bereits Schlagschäden mit geringem Energieeintrag zu von außen kaum sichtbaren, aber zum Beispiel für Flugzeugstrukturen kritischen Schäden führen können, ist ein Ziel der Forschung, ein tiefes Verständnis für ein integriertes Structural Health Monitoring (SHM) in diesen Werkstoffen mittels geführter Ultraschallwellen (GUW) zu gewinnen. Hierzu untersucht der Siegener Materialforscher Prof. Dr.-Ing. Axel von Hehl in seinem Teilprojekt Auswirkungen einzelner relevanter Schadensmerkmale systematisch mittels Computertomographie, um eine geeignete Schadensklassifikation zu erhalten und durch Korrelation mit den GUW-Signalen eine zuverlässige Schadenserkennung zu ermöglichen.
Ansprechpartner
Prof. Dr. -Ing. Axel von Hehl
E-Mail: Axel.vHehl@uni-siegen.de
Tel. 0271 740-5389
Aktualisiert um 10:39 am 21. Dezember 2022 von Thomas Reppel
Die Naturwissenschaftlich-Technische Fakultät ehrt Herrn Prof. Dr. Christoph Ruland
In der letzten Fakultätsratssitzung des Jahres konnte ein nicht alltäglicher Tagesordnungspunkt aufgerufen werden.
Der Dekan ehrte Herrn Prof. Dr. Christoph Ruland zum 40-jährigen Dienstjubiläum. Bei der feierlichen Urkundenübergabe dankte Prof. Dr. Holger Schönherr dem Jubilar im Namen der Fakultät insbesondere für über 30 Jahre treue Dienste und Pflichterfüllung im Rahmen seiner Lehr- und Forschungstätigkeiten als Professor für Nachrichtentechnik mit Schwerpunkt Nachrichtenübermittlungstechnik.
In seinen Dankesworten richtete Prof. Ruland noch einige Worte an den Fakultätsrat. Er hat die Zeit als Hochschullehrer in der Fakultät IV sehr genossen und bezeichnete die Professorentätigkeit als den „besten Job der Welt“. Unabhängigkeit und Freiheit in Forschung und Lehre seien unbezahlbar und Projekte würde diese Freiheit noch verstärken. Er wünscht den Fakultätsmitgliedern für die Zukunft alles Gute und viel Freude an der Arbeit.
Aktualisiert um 8:17 am 20. Dezember 2022 von Thomas Reppel
MINTees besuchten Science Forum und Windkanal der Universität Siegen
Wie wird Essigessenz mit Natronlauge titriert? Was ist eine konduktometrische, was ist eine thermometische Titration? Wie wird die Windgeschwindigkeit in einem Windkanal mithilfe einer Christbaumkugel ermittelt? Antworten auf diese und weitere Fragen bekamen Mitte Dezember 19 Schülerinnen und Schüler des Programms „MINToringSi – Studierende begleiten Schülerinnen und Schüler auf ihrem Weg in ein MINT-Studium“, als sie die Universität Siegen besuchten und die anderen Teilnehmenden des Programms kennenlernten.
Vor Ort begleitet wurden die Schülerinnen und Schüler vom MINTorenteam Désirée Schütz, Johannes Daub und Dr. Thomas Reppel, der in diesem Jahr eine Doppelrolle einnimmt. Neben seiner Tätigkeit als MINTor fungiert Dr. Thomas Reppel als MINToringSi-Betreuer für die Universität Siegen. Betreuerin seitens der Arbeitgeberverbände Siegen-Wittgenstein ist Julia Förster, die ebenfalls am Kennenlerntag vor Ort war.
Nach einer kurzen Einführung durch das MINToren- und Betreuerteam ging es für die Teilnehmenden ins Labor des Science Forums der Universität Siegen. Dort lernten die MINTees in praktischen Versuchen den Bereich der Chemie kennen. Dr. Udo Führ und sein Team brachten den MINTees beispielsweise näher, wie die Titration von Essigessenz mit pH-Wert-Messung abläuft. Den Säuregehalt verschiedener Zitrusfrüchte zu bestimmen war eine weitere Aufgabe, die die MINTees mit Hilfe eines Experiments lösen mussten.
Nach dem Besuch des Science Forums stand eine Unirallye auf der Tagesordnung. Eingeteilt in drei Gruppen galt es Fragen zu den Uni Campus Adolf-Reichwein, Hölderlin und Paul-Bonatz zu lösen. Allgemeine Fragen, wie etwa eine Frage zum vollständigen Namen der Universität in den ersten 31 Jahren ihres Bestehens oder eine Frage zur E-Learning Plattform rundeten die Rallye ab.
Ein weiteres Highlight dieser halbtägigen Veranstaltung war für alle sicherlich der Besuch des Windkanals am Paul-Bonatz Campus. Diesen Kanal zeigte Dipl.-Ing. Alexander Bald, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Laborleiter am Lehrstuhl für Strömungsmechanik arbeitet, den Teilnehmenden. Vor Ort sollten die MINTees durch die Auslenkung einer Weihnachtsbaumkugel die Windgeschwindigkeit im Windkanal ermitteln.
Gegen Ende der Veranstaltung wurde die Siegergruppe der Unirallye ausgezeichnet. Gewonnen hat das Team von MINTor Thomas Reppel. Seine Gruppe durfte sich daher über einen Buchgutschein freuen. Abgerundet wurde der Kennenlerntag mit einem gemeinsamen Besuch im Restaurant „Gartenhaus“ in Siegen-Weidenau.
Zum Schluss der Kennenlernveranstaltung des neuen MINToringSi-Jahrgangs zogen die Programmbetreuer Dr. Thomas Reppel und Julia Förster ein positives Fazit: „Durch den Kennenlerntag sollten sich die MINTees nicht nur untereinander kennenlernen, sondern auch einen ersten Einblick in Bereiche der Universität erhalten. Daher haben wir den Besuch von Science Forum und Windkanal ermöglicht.“
Die Veranstaltung ist Bestandteil von MINToringSi, einem gemeinsamen Programm des Verbandes der Siegerländer Metallindustriellen e.V. (VdSM), der Naturwissenschaftlich-Technischen Fakultät der Universität Siegen und der Bezirksregierung Arnsberg. Ziel ist es, angehende Abiturientinnen und Abiturienten bei ihrer Studienorientierung in einem MINT-Fach (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) zu unterstützen und den Übergang an die Hochschule in den ersten Semestern zu begleiten.
Aktualisiert um 16:47 am 19. Dezember 2022 von Thomas Reppel
MINT on Tour 2023
Nach drei Jahren Pause bzw. an die Pandemie angepasssten Versionen, starten wir 2023 mit MINT on Tour wieder voll durch. Im Rahmen des Programms besuchen studentische Tutor:innen seit mittlerweile 10 Jahren unsere Partnerschulen während der vorlesungsfreien Zeit im Frühjahr. Dort unterstützen sie die rund 3600 Schüler:innen der 7. und 8. Klasse bei der Durchführung kleiner praktischer Experimente. Die Tutorinnen und Tutoren arbeiten dabei immer in 2er-oder 3er-Teams mit Gruppen bestehend aus ca. 20 Schülerinnen und Schülern. MINT on Tour 2023 besucht insgesamt 35 Schulen an 33 Standorten.
Wir gehen auf Tour im Zeitraum vom 06.02. – 31.03.2023. Dazu suchen wir studentische Hilfskräfte, die Freude daran haben, Schüler:innen Interesse, Spaß und Begeisterung für unsere Fachdisziplinen zu vermitteln. Das Angebot richtet sich nicht nur an Lehramtsstudierende, sondern an alle MINT-Begeisterte.
Weitere Informationen finden Sie hier: Tutor:innen für MINT on Tour gesucht!
Folgende Karte zeigt die Standorte aller teilnehmenden Schulen:
Aktualisiert um 14:40 am 15. Dezember 2022 von Thomas Reppel
Viren in neuem Licht
Die Biochemikerin Professorin Dr. Charlotte Uetrecht von der Universität Siegen erforscht, wie Proteine und Proteinkomplexe von Corona- und Noroviren aufgebaut sind – und wie sie sich im Laufe des viralen Lebenszyklus verändern. Um möglichst viele Informationen über kurzzeitig existierende Zustände dieser viralen Bausteine zu erfassen, entwickelt sie eine neue Methode.
Die resultierende Detailkenntnis der stofflichen Umwandlungen, die in den Viren stattfinden, weist möglicherweise den Weg zu neuen Angriffspunkten für antivirale Medikamente.
Vor der COVID-19-Pandemie erläuterte Prof.’in Dr. Charlotte Uetrecht manchmal ausführlich, wofür es wichtig ist, dass sie den Aufbau von Coronaviren erforscht. Heute besteht eher bei ihrem zweiten Forschungsobjekt, den Noroviren, Erklärungsbedarf: „Noroviren sind hochansteckend und verursachen Brechdurchfall. Was häufig als Magen-Darm-Grippe bezeichnet wird, bringt vor allem Gefahren für Menschen mit sich, deren Immunsystem geschwächt ist“, sagt die Siegener Professorin. Sie weist außerdem auf die wirtschaftlichen Einbußen hin, die mit Arbeitsausfällen durch vermeintlich harmlose Infektionskrankheiten einhergehen.
Um Einblicke in den Aufbau von Viren zu erhalten, nutzt Uetrecht eine hochmoderne Variante der Massenspektrometrie, die als native Massenspektrometrie bezeichnet wird. In ihrer etablierten Form ist die Massenspektrometrie schon seit rund 100 Jahren bekannt: In einem Analysegerät werden die Moleküle von Stoffen in elektrisch geladene Teilchen – Ionen – umgewandelt, also ionisiert. Das Gerät trennt anschließend die entstandenen Ionen gemäß deren Verhältnis von Masse zu elektrischer Ladung und registriert sie.
Für die Untersuchung von Proteinen und Proteinkomplexen – Zusammenlagerungen von Proteinen –, die in Medizin und Biologie wesentlich sind, war die Massenspektrometrie lange Zeit nicht geeignet. Denn zum einen ließen sich diese riesigen und schweren Moleküle nicht ionisieren. Zum anderen löste man die Substanzen, die analysiert werden sollten, in flüssigen Lösemitteln auf, in denen Proteine ihre ursprüngliche Gestalt verlieren, also ihre Struktur verändern. Doch in den späten 1990er Jahren entwickelten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Geräte und die Ionisierungsmethode so weiter, dass sich unbeschädigte Proteine und Proteinkomplexe in ihrem biologischen Zustand untersuchen ließen: Die native Massenspektrometrie ging an den Start.
Einblicke in die virale Vervielfältigung
Uetrecht und ihr Team haben mit der Methode Details zu Vorgängen aufgeklärt, die während der Bildung des Replikations- und Transkriptionskomplexes (RTC) von Coronaviren ablaufen. Bei diesem Komplex handelt es sich um eine Art virale Maschinerie, die für die Vervielfältigung des Erbguts, also der viralen RNA, zuständig ist. „Ein möglicher Ansatzpunkt für antivirale Medikamente besteht darin, in die Abläufe einzugreifen, an denen der RTC beteiligt ist“, so Uetrecht. Solche Medikamente könnten zielgerichtet die Bildung viraler Nachkommen unterdrücken.
Im Mittelpunkt der Untersuchungen standen die Proteine nsp7 und nsp8 und ihre zwischenzeitliche Zusammenlagerung zu Komplexen. Diese Proteine regulieren verschiedene Enzyme im RTC, darunter die RNA-Polymerase, die am Aufbau des RNA-Stranges aus ihren Grundbausteinen mitwirkt. Die Forschenden um Uetrecht analysierten die nsp7+8-Komplexe sieben verschiedener Coronaviren-Stämme. Darunter waren die Erreger der Atemwegserkrankungen SARS und MERS, der Auslöser der COVID-19-Pandemie und der Erreger der Katzenkrankheit FIP – für die betroffenen Tiere oft tödlich.
Dabei fanden die Forschenden heraus, dass sich die nsp7+8-Proteinkomplexe der verschiedenen Virenstämme unterscheiden: Bei manchen, etwa bei SARS-CoV-2, besteht er aus zwei nsp7- und zwei nsp8-Einheiten, während er unter anderem beim FIP-Virus aus zwei nsp7- und nur einem nsp8-Protein besteht. Eine dritte Virengruppe bildet Komplexe sowohl aus insgesamt vier als auch aus drei Einheiten. „Wir konnten aufgrund unserer Ergebnisse ein Modell vorschlagen, das die Zusammensetzung der unterschiedlichen nsp7+8-Komplexe erklärt. Die Ergebnisse helfen, die genaue Funktion und Rolle von nsp7 und nsp8 im Replikations- und Transkriptionskomplex und damit die Vervielfältigung von Coronaviren besser zu verstehen“, sagt Uetrecht.
Virenhüllen als Transporter
Bei den Noroviren interessiert sich die Siegener Professorin vor allem für den Aufbau der Hülle. Diese ist wesentlich dafür, dass sich Noroviren an menschliche Zellen anheften und anschließend in sie eindringen können, also für die Vorgänge bei der Infektion. Zudem erkennt das menschliche Immunsystem Viren an ihren Hüllproteinen. Damit ist die Kenntnis des Hüllenaufbaus auch für die Impfstoff-Forschung bedeutsam. Kommerzielle Impfstoffe gegen Noroviren gibt es bislang nicht.
Weil sich intakte humane Noroviren in menschlichen Zellkulturen nur äußerst schlecht züchten lassen, nutzen die Forschenden um Uetrecht Insektenzellen. Sie lassen diese das Protein VP1 produzieren, aus dem sich dann von selbst leere Virenhüllen zusammenbauen. An den entstandenen Gebilden, den virusähnlichen Partikeln, lassen sich die Eigenschaften der Hüllen gut untersuchen. Uetrecht und ihr Team haben nachgewiesen, dass die Hüllen verschiedener Noroviren-Stämme unterschiedlich stabil sind.
„Virusähnliche Partikel sind technologisch als Impfstoffe interessant oder weil sie dazu dienen könnten, in ihrem Inneren Medikamente an ihren Wirkort im Körper zu transportieren“, erläutert Uetrecht. Noroviren-Hüllen enthalten üblicherweise 180 Einheiten des Proteins VP1. Doch bei den virusähnlichen Partikeln treten auch welche auf, die beispielsweise aus 60 Einheiten bestehen. Die Forschenden um Uetrecht haben massenspektrometrisch herausgefunden, unter welchen Bedingungen sich welche Partikelgrößen bilden. Die Größe einheitlich einstellen zu können, ist wesentlich, damit die Partikel als verlässliche Transporter von Medikamenten oder als Impfstoffe infrage kommen.
Obwohl die Analyse von Viren mittels nativer Massenspektrometrie erfolgreich und sehr anspruchsvoll ist, spricht Uetrecht von diesem Teil ihrer Arbeit als „Brot- und Butter-Geschäft“. Soll heißen, damit erzielt sie im Alltag des Wissenschaftsbetriebs Ergebnisse, die sie veröffentlichen kann und die sie als fähige Forscherin ausweisen. Der andere Teil ihrer Arbeit besteht darin, hartnäckig eine Idee zu verfolgen, die sie schon 2010 hatte, deren Umsetzung aber langwierig ist.
Sortieren für den Röntgenblitz
Damals las sie während ihrer Doktorarbeit in den Niederlanden einen Fachartikel schwedischer Kollegen, weil diese eine ihrer Publikationen zitiert hatten. In der Einleitung des Artikels wurde über eine Methode berichtet, mit Hilfe von ultrakurzen Laserlichtblitzen im Röntgenbereich Momentaufnahmen von kurzzeitig existierenden Proteinen und Proteinkomplexen zu machen – Momentaufnahmen, die gegenüber der nativen Massenspektrometrie viele zusätzliche Informationen über den Aufbau der Riesenmoleküle offenbaren. Allerdings war für Uetrecht sofort klar, dass die Auswertung bei dieser Einzelpartikel-Bildgebung umso schwieriger wird, je mehr unterschiedliche Proteine und Riesenmoleküle gleichzeitig erfasst werden. Und dass die Existenz langlebiger Moleküle neben kurzlebigen Molekülen ebenfalls zu Problemen führt. „Daher kam mir die Idee, dass man koexistierende, kurzlebige Proteine mit der nativen Massenspektrometrie nach der Masse sortiert herausfiltern und direkt in den Röntgenlaser leiten könnte“, sagt Uetrecht.
2010 war ein Röntgenlaser noch weitgehend Zukunftsmusik. Erst 2017 nahm die erste europäische Anlage dieser Art in Schenefeld bei Hamburg den Betrieb auf: der European XFEL (X-Ray Fee-Electron Laser). Um die Röntgenblitze zu erzeugen, werden Elektronen in einem 1,7 Kilometer langen, unterirdischen Beschleuniger zunächst in Paketen auf hohe Energien und Geschwindigkeiten gebracht. Spezielle Magnetanordnungen bringen die rasenden Elektronen dann auf einen engen Slalomkurs. Dabei sendet jedes einzelne Elektron Röntgenlicht aus, das sich immer mehr verstärkt. 1,2 Milliarden Euro – bezogen auf das Preisniveau 2005 – hat die 3,4 Kilometer lange Anlage gekostet.
Schon während des Baus des European XFEL arbeitete Uetrecht ihre Idee der Kombination von nativer Massenspektrometrie und Einzelpartikel-Bildgebung zu einem Konzept aus. Zugleich suchte sie nach Fördergebern. Inzwischen ist sie Koordinatorin des EU-Projekts MS SPIDOC, das die Praxistauglichkeit des Konzepts belegen soll. Sie und ihre MitarbeiterInnen haben ihre Büros und Labore im Centre for Structural Systems Biology (CSSB) ganz in der Nähe des European XFEL, sind aber bei der Universität Siegen angestellt. Anfang 2023 soll das kombinierte Massenspektrometrie-Röntgenlaser-System am European XFEL von einzelnen Hüllproteinen der Noroviren erste Aufnahmen liefern, aus denen sich dann in kurzer Zeit und Atom für Atom der Aufbau des jeweiligen Proteins rekonstruieren lässt. Damit wäre das Ziel, den Gegner, das Norovirus, genau zu kennen, um ihn optimal bekämpfen zu können, in greifbare Nähe gerückt.
Kontakt
Prof.‘in Dr. Charlotte Uetrecht
Biochemie, Universität Siegen
E-Mail: charlotte.uetrecht@uni-siegen.de
Autor: Frank Frick
Bildnachweis: Sascha Hüttenhain
Dieser Artikel erschien zuerst im Forschungsmagazin future der Universität Siegen
Aktualisiert um 8:23 am 15. Dezember 2022 von Thomas Reppel