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Quantenflüssigkeit läuft „bergauf“

Ein internationales Team von Physiker:innen hat in einem Artikel in Nature Physics über ihre Forschungen zu Polaritonen und die überraschenden Eigenschaften von einer Quantenflüssigkeit berichtet. Beteiligt ist auch die Physik der Universität Siegen.

Bei der Betrachtung winzigster Strukturen in der Nanotechnologie können immer wieder überraschende Effekte auf atomarer und molekularer Ebene beobachtet werden. Dr. Chau Nguyen, Physiker an der Universität Siegen hat, gemeinsam mit Forscher:innen aus Italien, Island, Polen, Frankreich und den USA, eine Quantenflüssigkeit untersucht und dabei festgestellt, dass diese eine außergewöhnliche Eigenschaft hat. Sie bewegt sich „bergauf“. Die Forschungsergebnisse veröffentlichte die Gruppe in der renommierten Fachzeitschrift Nature Physics.

Eine Quantenflüssigkeit entsteht durch das Zusammentreffen von Bosonen. „Wenn mehrere Teilchen ohne irgendwelche Kräfte auf unterschiedlichen Plätzen sind, sind sie unabhängig voneinander“, erklärt Dr. Chau Nguyen aus der Arbeitsgruppe „Theoretische Quantenoptik” von Prof. Dr. Ottfried Gühne. „Das erscheint natürlich, wie sollte es auch sonst sein? Die Quantenmechanik erzählt aber eine andere Geschichte, die vor genau einhundert Jahren vom indischen Physiker Satyendra Nath Bose und Albert Einstein geschrieben wurde.“ In der Quantenmechanik, so Nguyen, gibt es bestimmte Teilchen, eben jene Bosonen, die an einem Platz zusammenkommen, ohne direkte Kräfte zu benötigen. Sie sammeln sich, wenn genügend Teilchen zufällig an einer Stelle zusammenstoßen. „So bildet sich eine sogenannte Quantenflüssigkeit“, erklärt Dr. Nguyen. „Diesen Prozess nennt man Bose-Einstein-Kondensation.“ Dieses Phänomen kann zum Beispiel auftreten, wenn hochkonzentriertes Licht auf eine dünne Schicht eines Halbleiters trifft. Dann bilden sich Polaritonen, die eine Quantenflüssigkeit bilden. Diesen Effekt kann man manchmal sogar mit einer guten Kamera sehen.

Was die Physiker nun herausgefunden haben: eine Quantenflüssigkeit verhält sich wie ein Teilchen mit negativer Masse und will deshalb bergauf auf den Gipfel eines Potenzials klettern. Das ermöglicht es, sie mit starken Lasern, die wie Potenzial-Gipfel sind, zu „fangen“.

Ferner kann die Quantenflüssigkeit der Polaritonen von Gipfel zu Gipfel tunneln, ähnlich wie Elektronen zwischen den Atomen eines Moleküls. Damit fanden die Forscher:innen eine Methode, um Moleküle zu simulieren, was neue Anwendungen in der Chemie ermöglicht.

Dr. Nguyen, der an dieser Entdeckung mitgewirkt hat, erklärt: „Wir waren sehr verwundert über die Daten, die die Experimentatoren uns in einer Sitzung zeigten. In einem langen Arbeitsprozess gelang es uns, ein theoretisches Modell dafür zu skizzieren. Es war dann sehr beeindruckend, als wir auf dem Computer sahen, dass die Ergebnisse unserer Rechnung genau die experimentellen Daten der seltsamen Quantenflüssigkeit beschrieben.”

Der komplette Artikel in Nature Physics finden Sie hier.

Laserstrahlen bilden Potenzialgipfel für eine Quantenflüssigkeit aus Polaritonen. Damit können effektiv Moleküle erstellt werden.

Aktualisiert um 6:00 am 10. April 2024 von Thomas Reppel.