Neue Materialmodelle für die Industrie
Am Siegener Lehrstuhl für Festkörpermechanik wird in einem neuen Forschungsprojekt das Dämpfungsverhalten von Moosgummi simuliert.
Er ist elastisch, die Oberfläche ist glatt, die Zellen im Inneren aber offen: Moosgummi. Der Schaumstoff zeichnet sich durch eine hohe Druckelastizität aus und wird häufig zur Abdichtung von Behältern oder Gehäusen genutzt. Zum innovativen Einsatz von Moosgummi bei hochtechnologischen Produkten forscht die Arbeitsgruppe von Prof. Dr.-Ing. Kerstin Weinberg am Lehrstuhl der Festkörpermechanik an der Universität Siegen.
Moosgummi ist ein gemischtzellig getriebener Gummi-Werkstoff. Solche geschäumten Elastomere finden in diversen Industriezweigen ein breites Anwendungsspektrum, wie zum Beispiel bei Dichtungs-, Wärmedämmungs- und Schallschutzsystemen. Diese Systeme erhielten im vergangenen Jahrzehnt durch computergestützte Verfahren einen enormen Entwicklungsschub. Damit stiegen aber auch die Anforderungsprofile, wobei vermehrt die Dämpfungseigenschaften in den Fokus rücken.
In einem neuen Projekt von Prof. Dr.-Ing. Kerstin Weinberg wird nun der Einfluss der Mikrostruktur auf das dynamische Materialverhalten von Elastomerschäumen systematisch untersucht. Die mechanischen Eigenschaften eines geschäumten Elastomers hängen sowohl vom Matrixmaterial als auch von der Mikrostruktur ab. Mit zunehmender Porosität steigt der Einfluss der Mikrostruktur auf das mechanische Deformationsverhalten. Mithilfe von experimentellen Versuchen an Elastomerproben aus der Industrie und additiv gefertigten Schaumstrukturen können Material- und Strukturparameter bestimmt werden und das Materialverhalten durch computergestützte Verfahren simuliert werden. Für Simulationen mit kommerzieller Software, die im digitalisierten Bauteil-Designprozess bei mittelständischen Unternehmen weit verbreitet sind, werden einfache Materialmodelle benötigt, welche die Realität dennoch bestmöglich abbilden. Im Falle von Moosgummi fehlt es der Industrie jedoch derzeit an diesen praxistauglichen Modellen. Im Rahmen des Projektes werden zwei neue Modellierungsansätze entwickelt. Abschließend werden reale Bauteil-Simulationen aus der Praxis beteiligter Unternehmen mit den Materialmodellen durchgeführt und experimentell überprüft.
Das Forschungsvorhaben der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit 400.000 Euro finanziert. Neben den Siegener Wissenschaftler*innen ist auch das Deutsche Institut für Kautschuktechnologie (DIK) in Hannover als zweite Forschungseinrichtung beteiligt. Eine Besonderheit von IGF-Projekten ist, dass auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) unmittelbar im Projekt involviert sind. Dies ermöglicht einen einfachen Zugang der KMU zu praxisorientierter Forschung und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstands.
Aktualisiert um 9:33 am 9. Juli 2024 von Thomas Reppel.