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„Die Universität entscheidend mitgestaltet“

Mit einer letzten Vorlesung verabschiedete sich Professor Dr. Jürgen Jensen in den Ruhestand: Über 30 Jahre hatte er an der Universität Siegen den Lehrstuhl für Hydromechanik, Binnen- und Küstenwasserbau inne.

Aus ganz Deutschland und sogar aus den USA waren sie angereist: Familie, Freunde, Kolleg*innen, ehemalige Mitarbeit*innen und Doktorand*innen, von denen inzwischen viele selbst Professuren an nationalen und internationalen Universitäten innehaben. Auch zahlreiche Angehörige der Uni Siegen sowie Vertreter*innen aus der Region waren in die Aula des Paul Bonatz-Campus gekommen. Nach über 30 Jahren Forschung und Lehre am Siegener Lehrstuhl für Hydromechanik und Wasserbau hatte Prof. Dr. Jürgen Jensen zur Abschiedsvorlesung geladen. Unter dem Titel „Meine Retrospektive ‚Wasser(bau)‘ – vom Lebenselixier zur Sintflut“ sprach er ein letztes Mal im Hörsaal über sein großes Thema: „Die Faszination Wasser ist das, was mich mein ganzes Leben lang begleitet hat und bis heute wissenschaftlich beschäftigt.“

1991 war Jensen an die Universität Siegen berufen worden. Für ihn damals das „große Los“, wie der gebürtige Nordfriese und Schleswig-Holsteiner rückblickend feststellte: „Nie zuvor hatte ich solche Möglichkeiten, mich beruflich und wissenschaftlich zu verwirklichen.“ Möglichkeiten, die Jensen voll ausschöpfte: 1994 gründete er an der Uni Siegen das renommierte Forschungsinstitut Wasser und Umwelt (fwu). Seinen Lehrstuhl baute er zu einem der erfolgreichsten der Universität aus – mehr als 250 nationale und internationale Forschungsvorhaben im Binnen- und Küstenwasserbau setze er als Projektleiter zusammen mit seinem Team um. Er warb insgesamt rund 14,5 Mio. Euro Drittmittel ein und betreute mehrere hundert Abschlussarbeiten von Studierenden sowie 25 Promotionen. Als Dekan des Fachbereichs Bauingenieurwesen überführte Jensen den Fachhochschulstudiengang Bauingenieurwesen 2004 in einen universitären Studiengang mit Promotionsrecht.

Jensen habe die Universität „in einer Vielzahl von Funktionen und Aktivitäten ganz entscheidend mitgestaltet“, sagte der Prorektor für Digitales und Regionales, Prof. Dr. Volker Wulf in seinem Grußwort. Auch Uni-Kanzler Ulf Richter dankte Jensen für sein großes Engagement für die Universität und die Region: „Das ist nicht selbstverständlich. Aber man merkt, wie sehr Sie für diesen Job gebrannt haben und immer noch brennen.“ Der Sprecher des Departments Bauingenieurwesen, Prof. Dr. Daniel Pak, erinnerte daran, dass Jensen in seinem Wasserbaulabor unter anderem auch den Abriss der „Siegplatte“ in der Siegener Innenstadt wissenschaftlich begleitete: Einer riesigen Betonplatte, die über viele Jahrzehnte den Fluss Sieg überdeckte und als Parkfläche für Autos diente. Während seiner Berufungsverhandlungen im Herbst 1991 mit dem Rektor der Uni Siegen habe er seiner Frau empfohlen, sich die Siegener Innenstadt anzuschauen und an der Sieg entlang spazieren zu gehen, erinnerte sich Jensen lachend: „Aber als wir uns wiedertrafen, sagte mir meine Frau, sie habe den Fluss nicht finden können. Ich bin auch rückblickend sehr stolz darauf, dass ich das Projekt ‚Siegen – zu neuen Ufern‘ und den damit verbundenen Abriss der Siegplatte begleiten konnte. Siegen ist dadurch viel lebenswerter geworden.“

In seiner Vorlesung beschrieb Jensen die Ambivalenz „seines“ Elementes Wasser: Einerseits wichtigstes Lebensmittel und ältester Energieträger – andererseits im Zusammenhang mit Extremwetterereignissen potenziell lebensbedrohlich. In international beachteten Forschungsprojekten hat Jensen mit seinem Team die Auswirkungen des Klimawandels auf den Meeresspiegelanstieg untersucht. Auch Sturmfluten und Hochwasserereignisse haben den Wissenschaftler intensiv beschäftigt. Die Flutkatastrophe an der Ahr vor zwei Jahren habe ihn „zutiefst beeindruckt“, sagte Jensen: „An der Ahr wurde sehr viel falsch gemacht, wir Menschen tragen eine große Mitverantwortung dafür, dass die Schäden so groß waren.“ Jensen appellierte in diesem Zusammenhang auch anhand der historischen Sturmflutkatastrophen an der Nord- und Ostsee über die letzten 1000 Jahre sowie des Magdalenen-Hochwassers von 1342 eindringlich, aus der Vergangenheit zu lernen: „Es gab schon in früheren Jahren extreme Hochwasser in Deutschland. Diese sollten wir uns genau anschauen, um den zukünftigen Hochwasserschutz zu verbessern. Tote durch Starkregen, Sturmfluten und Hochwasser sind absolut inakzeptabel – wir müssen daran arbeiten, das künftig zu verhindern.“

Musikalisch begleitet wurde die Abschiedsvorlesung von Heiko Ogorek und Sascha Lecher, die mit Akustik-Gitarren und Gesang Songs von den Beatles, Pink Floyd, Fleetwood Mac und Bruce Springsteen präsentierten. Zum Ausklang des Abends lud Prof. Jensen in norddeutscher Tradition zu kühlen Getränken und Fischbrötchen ein.

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Aktualisiert um 17:51 am 14. Juli 2023 von g040107.