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Digitaler Zwilling hilft bei Montageplanung

Wissenschaftler:innen der Universität Siegen wollen durch die Digitalisierung menschlicher Bewegungen Produktionsprozesse präzisieren. Die Technik kennt man aus Filmen und Videospielen.

Bei Filmen und Videospielen ist es bereits gängige Praxis: Motion Capture Systeme werden genutzt, um menschliche Bewegungen zu digitalisieren und auf digitale Charaktere zu übertragen. Wissenschaftler:innen der Universität Siegen nutzen diese Technik im Bereich der Produktionsplanung. Im Gegensatz zur Unterhaltungsindustrie steht dabei eine genaue und keine ästhetische Abbildung im Vordergrund.

Bei der Produktionsplanung von manuellen Montagearbeiten in der Industrie wird oftmals auf einfache Mittel zurückgegriffen. Beispielsweise werden die menschlichen Laufwege zwischen den einzelnen Montagestationen mit Stift und Papier in einem 2D-Plan oder digital in einer Gestaltungsumgebung wie PowerPoint eingezeichnet. „Menschliche Bewegungen erweisen sich als sehr komplex“, sagt Prof. Dr.-Ing. Martin Manns, der seit 2016 den Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Montage (FAMS) an der Universität Siegen leitet. Deshalb können die zur Planung häufig herangezogenen vereinfachten Annahmen in der Realität stark von der Planung abweichen. Für eine effiziente Gestaltung der manuellen Montage ist eine präzise Planung wichtig. Viele lokale Unternehmen haben nicht die Ressourcen und das Know-how, um umfangreiche und detaillierte Simulationsanwendungen zur Planung zu nutzen.

Um detaillierte Montageplanungen für manuelle Arbeiten mit geringem Aufwand für kleinere und mittlere Unternehmen zu erstellen, arbeiten Wissenschaftler:innen des Lehrstuhls für Fertigungsautomatisierung und Montage (FAMS) mit Motion Capture Systemen. Dafür wird ein Anzug mit 17 Bewegungssensoren verwendet, der für die Erfassung aller Bewegungen einer Person angezogen wird und die Bewegungen durch eine passende Software auf einen digitalen Zwilling übertragt.

Die Digitalisierung der menschlichen Bewegungen kann auf verschiedene Weise zur Prozessverbesserung in der Industrie genutzt werden. Eine Möglichkeit, mit geringem Aufwand deutlich präzisere Laufwegplanungen zu erstellen, ist die Aufzeichnung des Laufwegs bei einer Demonstration des Montageprozesses. Dafür werden die Koordinaten des Körperschwerpunkts aus der Vogelperspektive verwendet, wodurch die Länge des Weges exakt gemessen und für die Abschätzung der Prozesszeiten verwendet werden kann. Zudem können Planer durch die im 2D-Plan sichtbaren Pfade auf Auffälligkeiten achten und Optimierungen an dem Layout vornehmen, um die Laufwege und damit den Prozess zu verbessern.

Diese Vorgehensweise wurde prototypisch untersucht. In den durchgeführten Untersuchungen sind teils deutliche Unterschiede zwischen den vereinfacht geplanten und den aufgezeichneten Pfaden sichtbar geworden. Um einen möglichst allgemeingültigen Laufweg zu erhalten, wird der Prozess mehrmals wiederholt und ein Durchschnitt der aufgezeichneten Pfade verwendet. Vergleicht man diesen Pfad mit dem vereinfacht geplanten Pfad, fällt auf, dass der tatsächliche Laufweg fast 10% kürzer ist als der geplante. Im Durchschnitt weicht der Weg 0,13 Meter vom geplanten Laufweg ab, maximal sind es 0,29 Meter.

Als nächstes möchten die Forscher:innen die Technologie für weitere Anwendungsfälle erproben, zum Beispiel kollaborierende Roboter, Assistenzsysteme in der manuellen Montage und Planungssimulationen.           Michael Jonek

Das Bild links zeigt den realen Montagevorgang mit Motion Capture Anzug, rechts ist die digitalisierte Bewegung des Montagevorgangs zu sehen.

Aktualisiert um 9:54 am 31. Mai 2022 von Thomas Reppel.