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Viele Fragen und endlich eine Antwort

Zwei Physiker der Uni Siegen erhalten gemeinsam mit einem Kollegen aus China für eine wegweisende Arbeit den Paul-Ehrenfest-Preis. Mit dem Preis wird jedes Jahr die weltweit beste Publikation im Bereich der Quantenphysik ausgezeichnet.

Großer Erfolg für Physiker der Universität Siegen: Für den Beweis einer 25 Jahre alten Vermutung im Bereich der Quantenphysik erhalten Dr. Zhen-Peng Xu und seine Co-Autoren Prof. Dr. Otfried Gühne und Prof. Dr. Jing-Ling Chen aus Tianjin/China den Paul-Ehrenfest-Preis. Das Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien zeichnet damit jährlich die international beste Publikation über Grundlagenprobleme der Quantenphysik aus. Paul Ehrenfest (1880-1933) war ein österreichischer Physiker und Freund von Albert Einstein, der bahnbrechende Resultate über die Quantenphysik erzielte.

Im Frühjahr wird Zhen-Peng Xu den Preis in Wien entgegennehmen. Xu ist Stipendiat der Alexander-von-Humboldt-Stiftung und forscht an der Uni Siegen in der Arbeitsgruppe „Theoretische Quantenoptik“ von Prof. Gühne. In ihrer preisgekrönten Veröffentlichung haben sich die Physiker mit einem grundlegenden Phänomen beschäftigt, das in der Fachwelt auch als „Quantenkontextualität“ bekannt ist. Es besagt, dass man sich davor hüten sollte, von möglichen Mess-Resultaten zu sprechen, wenn man eine Messung nicht tatsächlich durchgeführt hat.

„In vielen Alltagssituationen, zum Beispiel in der Schule oder bei der Führerscheinprüfung, geht es darum, Fragen zu stellen oder zu beantworten“, erklärt Zhen-Peng Xu. „Zu einer Frage gehört dabei immer auch eine eindeutige Antwort. Diese Antwort existiert unabhängig davon, ob die Frage tatsächlich gestellt wurde, oder nicht.“ Außerhalb der Quantenphysik erscheint das logisch – der Kanadier Simon Kochen und der Schweizer Ernst Specker zeigten jedoch schon vor über 50 Jahren, dass die Quantenphysik anders funktioniert: Die Physiker konstruierten einen Satz von 117 Messungen, die als Fragen an ein physikalisches System verstanden werden können. Nimmt man dann jedoch an, dass all diese Fragen eindeutige und vorherbestimmte Antworten haben, so ergibt sich ein Widerspruch.

Das Originalargument von Kochen und Specker ist kompliziert, weshalb in den Folgejahren viele Physiker und Mathematiker versuchten, einfachere Argumente zu finden. Im Jahr 1996 fand der spanische Physiker Adán Cabello schließlich einen Beweis, der statt 117 nur 18 Messungen, beziehungsweise Fragen benötigte. Doch ist das bereits der einfachste Beweis? Oder ist es eventuell auch mit noch weniger Messungen möglich, einen Widerspruch der Quantenphysik zum klassischen, „gesunden Menschenverstand“ nachzuweisen?  Dies blieb offen und konnte trotz intensiver Forschungen nicht gezeigt werden.

Den Physikern um Dr. Zhen-Peng Xu gelang es nun jedoch zu beweisen, dass kein einfacheres Argument möglich ist. Der Trick des Siegener Forschers bestand darin, das Problem in die Sprache der Graphentheorie zu übersetzen: Die 18 Fragen werden dabei als graphisches Schaubild dargestellt, bei dem verschiedene Gruppen von Knotenpunkten nach bestimmten Regeln miteinander verbunden sind. „Zhen-Peng Xu hatte die schöne Idee, die Graphentheorie mit Methoden der Optimierung zu verbinden, um das alte Problem neu anzugehen. Durch seine Resultate können wir nun die einfachsten Situationen untersuchen, in denen ‚Quantenkontextualität‘ vorkommt. Damit können wir zum Beispiel klären, in welchen Fällen sie der Grund dafür ist, dass Quantencomputer schneller sind, als klassische Computer“, freut sich Arbeitsgruppenleiter Prof. Gühne.

Die Publikation „Proof oft he Peres Conjecture for Contextuality”  ist in der Fachzeitschrift “Physical Review Letters” veröffentlicht worden.

Kontakt:
Prof. Dr. Otfried Gühne
Leiter der Arbeitsgruppe Theoretische Quantenoptik
E-Mail: otfried.guehne@uni-siegen.de
Tel.: 0271-740 3707

Aktualisiert um 10:05 am 19. Januar 2022 von Thomas Reppel.